Wolfgang Koeppen
Wolfgang Koeppen
23. Juni 1906 in Greifswald    
15. März 1996 in München    

Romane: 
Tauben im Gras (1951) 
Das Treibhaus (1953) 
Tod in Rom (1954) 
Jugend (1976)
 
Als Wolfgang Koeppen am 15. März 1996 in München wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag starb, war er schon eine Legende zu Lebzeiten.

Der berühmte Artikel "Der Fall Koeppen" von Marcel Reich-Ranicki beleuchtete - leider etwas unglücklich - diese eigenartige deutsche Literaturgeschichte:
"MRR" wollte mit seinem Aufsatz darauf hinweisen, daß Koeppen zumindest seiner Meinung nach, in seiner literarischen Produktion verstummte, weil die Kritik an seinen drei "epochalen" Romane der Nachkriegszeit "Tauben im Gras" (1951), "Das Treibhaus" (1953) und "Tod in Rom" (1954) so unglaublich heftig, brutal und beleidigend ausgefallen war.

Letzteres ist nachweislich der Fall gewesen: Pornographie, kommunistische Hetze und Bösartigkeit waren noch die harmloseren und nicht ins Persönliche gehenden Vorwürfe, die Koeppen für diese Bücher zuteil wurden.
Wer heute diese Romane liest, mag sich vorstellen, welche literarische Sprengkraft sie in den biederen 50er Jahren der jungen Bundesrepublik hatten. In atemberaubendem Tempo, stark angelegt an literarische Größen wie DosPassos, Faulkner, Joyce oder Döblin, jagt Koeppen seinen Parforceritt durch die Gegenwart Nachkriegsdeutschlands. Beklemmend dabei - vor allem heute - ist die Aktualität dieser Bücher: die Szenen von "Das Treibhaus", welches auch der erste Roman über die Bonner Republik war, finden sich in vergleichbarer Form sicher heute im Jahr 2000 in Berlin wieder.

Dass Koeppen wirklich verstummt war, davon kann aber nicht die Rede sein: zwar veröffentlichte er nur noch wenig Belletristik, dafür aber umso mehr Reisebeschreibungen und Literaturkritik. Und daß auch Erzählungen und Romane weiter bei ihm schlummerten, belegt der vor kurzem bei Suhrkamp erschienene erste Band des Nachlasses, mit fast 700 Seiten Erzählungen.

Seine Kindheit verbrachte Koeppen in Masuren, er war ein uneheliches Kind und wuchs bei seiner Mutter und seinem Onkel auf. Besonders der Onkel konnte ihm durch eine umfangreiche Bibliothek viele literarische Stoffe nahebringen. Seinen Vater, einen Augenarzt, der sich zeitlebens niemals um ihn gekümmert hatte, besuchte er einmal als Patient im Rahmen einer "Routineuntersuchung", gab sich ihm allerdings nicht zu erkennen.

Nach einer Zeit als Schiffskoch auf See (viele Klischees sind so klasse, daß sie manchmal auch wahr sein müssen, nä ..?!?) arbeitete er in Würzburg als Dramaturg und ging anschließend nach Berlin, wo er als Journalist arbeitete. Während des Krieges arbeitete Koeppen bei der Ufa als Drehbuchautor, mußte aber, da er den Spagat versuchte zwischen der Nicht-Propaganda Filmen einerseits und Nicht-Auffallen andererseits, nach einem schweren Bombenangriff auf Berlin die Chance nutzen, um schließlich unterzutauchen.
Nach dem Krieg schrieb Koeppen dann die drei Romane, die ihn berühmt machen sollten (siehe oben). Danach wurde es - nachdem die Aufregung sich gelegt hatte - ruhiger um ihn. Alfred Andersch, der damals als Hörfunkredakteur beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart arbeitete, schickte ihn "in die Welt hinaus", um für den Hörfunk Reisereportagen zu verfassen, er bereiste u.a. viele Länder Europas, die USA und Rußland.
Um Koeppen gab es noch ein paar Mal Furore, einmal Mitte der Siebziger Jahre, als er seine Erzählung "Jugend" veröffentlichte, noch einmal ein Buch, das in der Literaturgeschichte seinen Platz finden sollte.
Und schließlich dann Ende der Achtziger Jahre, als bekannt wurde, daß "Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch" auch ein Werk Koeppens war.

Bis zu seinem Tod lebte Koeppen zurückgezogen in München, nur ausgestattet mit einem kleinen monatlichen Geldbetrag seines Verlegers Siegfried Unseld, der wie der ZEIT-Redakteur Andre Müller Koeppen in einem Interview sagte, von Koeppen noch den deutschen "Ulysseus" erwartete.
Koeppens Antwort darauf: "Oh Gott, reden sie ihm das bloß nicht ein!"

Lesetipps: "Tauben im Gras", "Das Treibhaus" und "Der Tod in Rom", alle erschienen bei Suhrkamp als Taschenbücher
"Jugend", Bibliothek Suhrkamp oder - sehr empfehlenswert, als Hörkassette, von Koeppen selbst gelesen bei AudioBooks/DerHörVerlag.
 

 

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